„Die Zweite Haut“ bezeichnet eine Gruppe von vier großformatigen Malereien (je 240 x 200 cm), die ich als Hauptpositionen einer bildnerischen Expedition verstehe. Innerhalb dieser Vorstellung unternahm ich einen Versuch eines postmodernen Rituals zur Jahreswende. Im Vordergrund der künstlerischen Arbeit steht dabei das performative Momentum und die Einschreibung des selbigen in das (seiner Natur nach) feststehende Medium der Malerei. Die Größe der Bilder ist dabei eine Notwendigkeit, die sich aus diesem eher physischen Anspruch ableitet.




Den vier Bildern sind außerdem vier Titel zugeordnet:
Portal – Rauhrot – Wilde Jagd – Quelle
Sie berufen sich bewusst auf Begriffe aus der Sprachsphäre der Spiritualität, ohne sich einem religiös geprägten Bilder- oder Figurenkanon allzu nahe stellen zu wollen. Ich habe beobachtet dass unserer Tage immer mehr Menschen in einem offenen Zwiespalt zwischen Aufklärung und individueller Suche nach quasi-spirituellen, selbststärkenden Ansätzen sind. Nicht zuletzt die Geschichtswissenschaften haben uns dazu befähigt, die Schwachstellen von insbesondere institutionalisierten Glaubenssystemen immer besser zu erkennen und unsere allgemeine Skepsis der Religion gegenüber gestärkt. Ich begrüße diese Entwicklung, gleichwohl sie vielerorts Leerstellen hinterlässt, die mir auf Grund ihrer allzu leichten Korrumpierbarkeit Sorgen bereiten. Ganz im Sinne der Ambiguitätstoleranz, hielt ich diese persönliche Vagheit für einen guten Anlass einer künstlerischen Auseinandersetzung. „Die zweite Haut“ bewegt sich daher ganz bewusst auf dem Glatteis eines gegenwärtigen Zerwürfnisses und thematisiert dabei eines der zeitlosesten Motive spiritueller Praktiken: „Den Neuen Menschen“.
Die vier Bilder entsprechen also vier Stationen einer Initiation, jedoch ohne einer spezifischen Tradition zu folgen. Sie sind Dokumente eines Prozesses und zugleich als potentielle Schauplätze künstlerischer Fortschreibungen intendiert. So haben sie schon während ihrer Entstehung als bühnenhafte Schauplätze für fotografische Inszenierungen gedient, sind Anlassgeber und Austragungsorte von tänzerischen Improvisationen gewesen und werden gegenwärtig in musikalischen Kompositionen interpretiert. „Die Zweite Haut“ befragt so die Potentiale der künstlerischen Praxis, hinsichtlich einer aufkeimenden Sehnsucht nach individualisierten Ritualen.
Lucian Patermann