Identität & Mythos – Einige Gedanken anlässlich dieser thematischen Konstellation.
In meinem fortlaufenden Foto-Projekt „Die Identitätsfalle“ spüre ich in offenen Versuchsanordnungen den Kräfteverhältnissen zwischen Mythos und Identität nach.

Der Mythos ist eine Kraft! – er verdichtet, bringt Ordnung ins Chaos und schafft Kooperationsfähigkeit durch gemeinsame Gestirne, er macht uns zu Herrschenden und Beherrschten. Und Identität ist dabei ein wesentlicher Teil unserer (Erzähl-)Kultur – was lassen wir aus, was benennen wir wie und gegenüber wem?
Der Mythos ist eine gerichtete Kraft! – die expandiert, in die Welt drängt und zuweilen auch uns selbst bedrängt (etwa, wenn sie unsere Identität beschneidet). So können wir zu Feindbilder der einen Menschen stilisiert werden, genauso wie wir Heilsbringende für andere sein können – ohne den einen oder anderen persönlich bekannt zu sein. Doch Mythen können uns darüber hinaus mit menschlichen Archetypen bekannt machen, können uns unbekannte Wesenszüge erfahrbar machen oder uns als Vorbilder dienen. Mythen können uns manchmal sogar ihre Kraft verleihen.

In dem hier angesprochenen Projekt spüre ich diesen Phänomenen konkret nach. Identität formt sich mit ihrer Erzählung und schöpft daraus ihre Bedeutung. Ich bereite Menschen einen Raum der Selbstinszenierung, sie wählen ihren Farbraum und ggf. bringen sie Material mit. Wir spielen ein wenig Ping Pong damit und inszenieren uns kleine Rituale. Ich lausche dabei nach Themen, die in den gewählten Farben assoziiert werden und die in den Personen schlummern. Gemeinsam ziehen wir sie heraus wo wir können, erschaffen Bilder, in denen Performance, Malerei und Körperfarben zu Medien werden, um mit Selbstbildern zu spielen. Die Fotografie kommt meist erst sehr spät dazu, wenn alles in vollem Gange ist und die Menschen ganz im Geschehen aufgegangen sind.
Später, mit ein wenig Abstand, materialisiere ich die Fotos, bemale sie ggf. weiter und füge Worte und insbesondere Selbstbezeichnungen hinzu, die ich aus den gemeinsamen Gesprächen schöpfe. „I am not your gate keeper“ steht auf einem. Das „not“ ist vielfach durchgestrichen und neugeschrieben. In anderen ist kein „your“ enthalten, oder es ist auch durchgestrichen usw. … Diese Reflexionsprozesse und Abwägungen sind Teil der Arbeit, direkt in die Fotos eingeschrieben bzw. gekratzt. Alle Bilder der Reihe spielen mit je einem identitätsstiftendem Label. Die mit den Labels angesprochenen Figuren sind wie Schichten, die mal aktiv sind und manchmal eben auch nicht.

Entwickelt habe ich die Serie, auf der Grundlage von Selbstversuchen bzw. Selbstportraits, ehe ich anschliessend damit begonnen habe, andere Menschen zu diesem Prozess einzuladen. Die Serie umfasst aktuell (Stand Juli 2022) 13 Werke zu je 80 x 60 cm auf Alu Dibond Platten.