An einem Tag im April 2023 verdichteten sich einige Gedanken und ich gebe offen zu, sie waren von frustrierenden Erlebnissen getrieben. Ich möchte sie trotz einiger Widerstände (in mir) hier festhalten und ggf. zur Disskussion stellen. Sie sind weder abgeschlossen, noch unumstösslich.
Die Suche nach Essenzen ist eine Aufgabe, die in der Kunst zuweilen zum Selbstzweck gerät. Sie erreicht dort einen hohen Wert für all jene, die selbst nach Ähnlichem forschen. So entsteht ein Raum des Austauschs für einen kleinen Kreis, dem so manche Türen geöffnet werden und für andere selbige verschlossen bleiben.
Für mich ist die Suche nach Essenzen eine grundsätzliche Notwendigkeit, welche der Erschaffung von Werkzeugen und Materialien gleicht. Ich brauche diesen Arbeitsschritt, um etwas angehen zu können – mein Schaffensprozess beginnt gewissermaßen dort. Die Kunst verstehe ich dabei als ein Handwerk an der Schnittstelle vieler Handwerke. Sie hat gleichermaßen andere Aufgaben, wie sie Ähnliche hat. Daher sei folgende Frage gestellt: Wo käme eine Zimmerfrau hin, wenn sie den Menschen nur zeigen würde, welchen Baum und welchen Hammer sie ausgewählt hat? In der Kunst kann ich das freilich tun. Ich könnte es als Einladung deuten, beides zu ergreifen. Aber was geschieht, wenn diese Einladung nur eine Metaphorische ist? Wenn der Hammer nicht berührt werden darf und das Holz nicht eingehend geprüft? Dann bleibt die Kunst dem Denken verschrieben.
Die Kunst ist dem Denken zwar eng verbunden, ich wünsche mir sie jedoch nicht auf selbiges beschränkt. Wenn Denken Probehandeln wäre, dann könnte Kunst so etwas wie Probefühlen sein. Sie könnte ein Gefühl nicht nur vermitteln, sondern dieses Erleben auch zu einem (zumindest temporären) gemeinsamen Haus werden lassen, von kognitivem wie emotionalen Zugängen, ebenso wie von verschiedenen Menschen. Es ist jedoch nur ein Haus auf Probe, wir können darüber verhandeln, es jederzeit verlassen und/oder verwerfen. Erst aus dem Zusammenwirken entsteht die Chance auf eine Ganzheitlichkeit, welche uns von Getriebenen zu Agierenden werden lassen kann. Ebendas macht es so wertvoll, wenn wir verschiedene Türen zu diesem Haus schaffen – für Intellekt und Emotion, für Analyse und Zauber, für Untergründiges, Alt-Verwurzeltes, Aufbrechendes usw. Dazu braucht es jedoch Wirkungen und Effekte im Zusammenspiel eines Werks, dass sich etwas als Stoff auswählt, Werkzeuge schafft und diese zusammenführt. Euphorie und Zauber sind keine Widersacher des Intellekts und Werkzeuge dürfen schaffen, ohne sich selbst zum Thema zu gereichen.
Manchmal verschwimmen die Formen zu Themen. Ich verstehe zwar das Motiv, die Kunst auf sich selbst zu beziehen, um sie im Eindruck verheerender Ereignisse der Geschichte, von selbigen zu befreien. Doch jedes Gefäss ist nur so bedeutend, wie es Gastgeberschaft ausüben kann und das bedeutet, sich nicht nur selbst zu bewirten. Kunst kann nur so viele Menschen verbinden, wie sie bereit ist Zugänge zu schaffen. Sie steht außerdem immer im Verbund zu der Zeit, in der sie geschaffen wird und vermag dennoch, darüber hinaus zu schauen. Unsere Zeit folgt einem Prozess des Rückzugs aus politischer Teilhabe und steigender Selbstbezogenheit. Wir treffen immer kurzfristigere ökonomische Entscheidungen, für (nur scheinbar) immer wenigere Menschen und zögern vor der Befragung unserer Werte und dem Wirken unseres Handelns auf andere. Wir tun alles was geht, ohne zu fragen, was sollte. Ich glaube jedoch, dass wir genau diese Fragen stellen müssen, als Gesellschaft und deshalb insbesondere als Kunstschaffende. Wir haben uns daran gewöhnt unsere Umwelt zu unterwerfen und zu knechten, weil es geht, ganz gleich, was die absehbaren Folgen sind. Wir formen unsere Gastgeberin, wo wir nur können. Ich denke aber, wir sollten uns nicht nur um uns selbst und unsere kurzfristigen Bedürfnisse drehen, denn das nimmt uns unsere Menschlichkeit und macht uns zu Tieren ohne Sinn für Vergangenheit und Zukunft. Wir schneiden unsere Vergangenheit ab, wenn wir sie nur auf den Wohlstand und die Bequemlichkeit reduzieren lassen, die uns so lieb geworden sind. Und wir nehmen uns die Zukunft, aus den gleichen Gründen heraus, wenn wir die Konsequenzen anderen überantworten.
Wir sollten uns hüten, der Lüge aufzusitzen, das die sogenannten Reaktionären über die Weisheit der Vergangenheit verfügen würden, denn ihr Instrument ist die Angst vor dem Verlust des Wohlstands der Gegenwart. Ihre Stärke liegt in der Stimulation dieser Ängste, die uns der Fähigkeit berauben über das Jetzt hinauszublicken. Die Vergangenheit dient ihnen nur dazu, sich zu rechtfertigen und die Zukunft dient vor allem als Drohgebärde. So schaffen sie den Nährboden, um folgend ein wirklich uraltes Merkmal von uns Menschen für ihre Machtfantasien brauchbar werden zu lassen: Unsere Sehnsucht nach Gemeinschaft. Wir waren immer nur im Verbund überlebensfähig und unser wichtigstes Werkzeug war immer wieder die Fähigkeit, uns zu verändern. Die uns Vorausgegangenen kannten Weisheit und Irrglaube, genau wie wir. Wenn wir uns von ihnen abwenden, dann haben wir unsere Gründe dafür und dürfen dennoch nicht so bequem sein, alles abzulehnen, das sie einst für gut hielten. Wir bauen auf Ihnen auf und müssen gleichermaßen weitergehen und neu bewerten. Genauso sollten wir es mit unseren Kindern halten. Wir sollten ihnen Fundamente schaffen, jedoch keine Häuser die zu Käfigen werden und mit Hypotheken belegt sind. Sie dienen nicht dazu, uns zu entsprechen. Sie gehören uns nicht. Kein Bewusstsein kann einem anderen gehören. Sie sind der Ausdruck des Verlangens des Lebens nach sich selbst.
So wie sie, brauchen wir keine Kunst „die immer schon gut war, oder immer schon schlecht“. So wie sie, brauchen wir Verbundenheit nicht nur mit unseren Nähesten, sondern mit der Welt, in der wir leben. Wollen wir verbunden sein mit unserer Gegenwart, so werden wir beides entdecken: Alte und Neue Fragen. Häufig wird Vergangenes zu Überwundenem erklärt und für Zukunftsmusik gehalten, was längst schon in die Gegenwart gedrungen ist. Wir haben Angst etwas zu verlieren. Wir halten Dinge für unsere persönlichen Errungenschaften, unser Eigen, obwohl wir stets nur Teile eines großen Zusammenwirkens sind. Wir wollen Dank, ohne selbst dankbar sein zu müssen.
Wir sollten unseren Ängsten nicht den Raum geben, alles zu Überschallen, sondern sie mit Fragen konfrontieren. Was ist bloß Reflex und was ist mein Ziel? Warum habe ich dieses Ziel und wie geht es aus, wenn ich es über mich selbst hinaus denke? Was ist eingeübt und was könnte ich noch einüben? Welche Übung würde ich gern hinter mir lassen? Bin ich mir meiner Sache bewusst?
Auch in der Kunst haben wir Ängste eingeübt. Wir scheuen uns vor so manchen Begriffen und Formen. Wir lehnen Dinge pauschal ab, um unseren ohnehin schon komplexen Weg zu vereinfachen. Selbstverständlich betrifft uns Kunstschaffende das nicht alle auf die gleiche Weise, manche sträuben sich vor diesem, andere vor jenem. Wenn es um gesellschaftlich relevante Themen geht, ziehen wir uns nur allzu gern auf vorgebliche „Neutralität“ zurück.